Kindheit schützen

Liebe Eltern und alle, denen Kinder am Herzen liegen,

Jahr für Jahr sterben viele Pflanzen- oder Tierarten aus und verschwinden unwiederbringlich vom Erdboden – trotz Artenschutz und anderer Bemühungen – einfach weil ihnen der Lebensraum entzogen wird. Doch ist uns bewusst, dass auch die Kindheit als Entwicklungsraum weltweit bedroht und mehr denn je auf unseren Schutz angewiesen ist? In vielen Ländern machen Kriege und Armutsverhältnisse Kinder zu kleinen Soldaten und Fließbandarbeitern. In den zivilisierten Ländern liegt die größte Bedrohung darin, dass viele Entwicklungen, die angeblich dem Wohle der Kinder dienen – wie das Überangebot an Spielsachen, die allgegenwärtigen Medien, einseitig oder zu früh angewandte intelligenzfördernde Maßnahmen u.v.m. – die Fantasie, Kreativität und Entdeckerlust des Kindes in Wirklichkeit ausbremsen, weil sie oft das falsche Angebot zum falschen Zeitpunkt darstellen. Jede Maßnahme, jedes Ding, jede Haltung, die das Kind nicht unterstützt bei dem, was es selbst erlernen, entwickeln und erforschen möchte, raubt ihm ein Stück Kindheit. So gesehen bricht ein großer Teil dieser kostbaren Phase der Selbstentwicklung für so manches Kind mit dem Schulbeginn weg…

Je kleiner das Kind, umso prägender ist die Umgebung, in der es die ersten Lernschritte vollzieht, umso wichtiger sind die Dinge, die seine Sinne herausfordern und schärfen, die es mit Mund und Hand erforscht, um Form und Beschaffenheit buchstäblich zu begreifen. Was wir selbst begriffen haben, hätte uns keine noch so gute Erklärung vermitteln können. Im Gegenteil: Erklärungen schieben sich zwischen das Kind und die unmittelbare Erfahrung der Welt. Indem wir unsere Kinder vor einem Zuviel an Dingen und Erfahrungen schützen, die sie nicht nachvollziehen und einordnen können, tragen wir als Eltern und Erzieher wesentlich zum Schutz des Raumes bei, in dem das Kind noch Kind sein darf.

Katharina Offenborn