Mit dem Kind sprechen

 

Liebe Eltern und alle, denen Kinder am Herzen liegen,

Sprache beschränkt sich nicht auf Worte, sondern umfasst alle Verständigungsmöglichkeiten zwischen Menschen. Schon Neugeborene sprechen mit uns, geben Signale des Unmuts bei Hunger und des Wohlbehagens, wenn die Antwort der Bezugsperson angemessen war und ihr Bedürfnis gestillt ist. Wir alle wissen, wie wohltuend das richtige Wort zur richtigen Zeit ist – ein Wort, das einem echten Verständnis für den anderen entspringt. Das gilt auch im Umgang mit Kindern: Ein tiefes Verständnis für die kindliche Entwicklung lässt uns als Bezugspersonen dem Kind gegenüber Worte und Gesten finden, die ihm helfen, sich selbst und, was mit ihm geschieht, immer besser zu verstehen.

Emmi Pikler ermutigt uns, schon mit dem ganz kleinen Kind ernsthaft zu sprechen – nicht viel zu fragen oder zu erklären, sondern alle Tätigkeiten und Handgriffe bei der Pflege mit Worten anzukündigen bzw. zu begleiten: „Ich möchte dich jetzt wickeln und ziehe dir Jäckchen und Hose aus, wasche dir den Po.“ Oder: „Ich wasche dir jetzt die Hände, kämme dir die Haare“. Das gibt dem Kind Orientierung und Sicherheit und verhindert, dass es sich dem ausgeliefert fühlt, was der Erwachsene mit ihm tut. Auch Gefühlsäußerungen des Kindes können wir auf diese Art benennen: „Ich sehe, du bist ängstlich, erschrocken, zornig, freust dich, musst weinen“. Wir lenken nicht ab und urteilen nicht – alles darf sein. Das Kind fühlt sich dadurch wahrgenommen, akzeptiert und spürt, es ist nicht allein. Und es gewinnt durch unseren ruhigen Umgang mit „schwierigen“ Gefühlen Sicherheit und lernt nach und nach mit ihnen umzugehen. Unser Sprechen mit dem Kind wird so zu einem Spiegel, in dem es sich selbst erkennt.

Katharina Offenborn